Wach rütteln muss uns dieses Buch nicht - das hat Putins verbrecherischer Angriff auf die Ukraine erreicht. Norbert Röttgen zeigt mit seinem Buch nun, warum Deutschland und Europa mannigfachen internationalen Krisen zunehmend hilflos gegenübersteht, anstatt den Bedrohungen mutig entegegenzutreten. Doch er ist, um sein Fazit vorwegzunehmen nicht pessimistisch: "Für nichts ist es zu spät. Aber nirgendwo bleibt mehr viel Zeit. Der Paradigmenwechsel in der deutschen Politik muss eine Politik des Jetzt sein in der Abkehr von einer Politik des Abwartens."
In seiner Analyse der Herausforderungen widersteht Röttgen erfreulicherweise der Versuchung, den Text mit Politiker-Anekdoten anzureichen. So gelingt es ihm, die komplexen Herausforderungen klar, präzise und verständlich darzustellen: Das aggressive Russland Putins. China, das die auf dem Recht beruhende Weltordnung schlicht ablehnt. Amerika, das zunehmend mit sich selbst beschäfitgt ist und die europäische Sicherheit nicht mehr als Priorität betrachtet. Und schließlich halten uns Pandemie, Klimawandel und Migration in Atem.
Woran liegt es, dass Frieden und Freiheit scheinbar plötzlich so stark bedroht sind? Röttgen zählt viele Fehler auf, die Amerikaner und Europäer gemacht haben. Aber gerade mit der deutschen Außen- und Sicherheitspoltik geht er schonungslos ins Gericht: "Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten sowohl intellektuell wie institutionell unsere Fähigkeit zu strategischem politischem Denken verloren. Die politische Gestaltung in Deutschland findet nur für den Augenblick statt."
Doch Röttgen bleibt Optimist und zeigt Wege aus der Hilflosigkeit auf. Gerade die deutsche Politik müsse ehrlich und offen mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber sprechen, dass die Wahrnehmung der Verantwortung für Frieden und Freiheit einen Preis hat. Denn Deutschland ist das entscheidende Land Europas. Deswegen kann es ein starkes Europa und einen starken Westen nur mit der Mitwirkung Deutschlands geben. Uns klar zu machen, dass Deutschland seine strategische Nebenrolle aufgeben und jetzt aktiv werden muss, ist Norbert Röttgens zentrales Anliegen.
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